Decoding
Deutsche FinTok
Was die Gen Z zu Finanzen bewegt und Marken davon lernen können.
Wir sind überzeugt, dass Brands auf Plattformen dann organisch erfolgreich sind, wenn sie Wert für ihre Zielgruppe schaffen. Für uns ist daher immer Zuhören der erste Schritt: Welche Inhalte und Diskurse beschäftigen die Menschen, die wir erreichen wollen? Und wie können wir Marken dabei unterstützen, einen sinnvollen Beitrag zu leisten?
Für diesen Report sind wir exemplarisch in eines der größten Themen auf TikTok eingetaucht: Finanzen. Wir haben uns gefragt, welche Themen und Fragen die Gen Z in Bezug auf Finanzen beschäftigt. Wem sie zuhört und warum. Und welche Rolle Marken in diesem Kosmos spielen können.
Basierend auf Daten von TikTok haben wir analysiert, welche Hashtags in Deutschland am meisten Aufmerksamkeit bekommen, wie die dahinterstehenden Themen zusammenhängen, wie erfolgreiche Inhalte aussehen und welche Creator:innen die Diskussion prägen.
Herausgekommen ist ein data-driven Blick auf das Verhältnis der Gen Z zu Finanzen. Zwischen Klarna-Schulden und dem Traum vom schnellen Geld. Zwischen ETF-Sparplänen und desillusionierten Blick in die Zukunft. Zwischen hilfreichen Tipps unter Peers und fadenscheinigen Mindset-Coaches.
1— Hilfe zur Selbsthilfe: Sparen als Hack
Mit über 356 Millionen Aufrufen zieht der Hashtag #sparen aktuell mehr Aufmerksamkeit auf sich als jeder andere Hashtag mit Finanzbezug. Die #spartipps sind divers, aber der Fokus liegt eindeutig auf der Hilfe zur Spar-Selbsthilfe für den nächsten Einkauf, Friseurtermin oder Urlaub.
Bigger Picture: Zwischen Geldproblemen und Konsum-Fatigue
In den sozialen Medien ist der Konsumzwang allgegenwärtig: Der Feed ist voller Fashion- und Interior-Trends, Influencer:innen pushen die neuesten Must-haves. Auf die eine oder andere Weise sind wir permanent dem Konsumismus ausgesetzt. Wir sehen auf TikTok aber auch immer mehr Skepsis. Erschöpft von ständiger Werbung und hohen Ausgaben, plädieren Nutzer:innen für einen weniger konsumorientierten Lebensstil.
All diese Trends zeugen von Konsum-Fatigue. Sie zeigen auch, dass Konsumzwang, finanzielle Unsicherheit und Verschuldung reale Probleme junger Menschen sind. Sie werden auf TikTok unverblümt verhandelt – vor allem von Frauen. Besonders sie scheinen das Marketing der Beauty- und Modeindustrie und die dahinter stehende Doppelmoral satt zu haben.
Und was heißt das jetzt? Lösungen anbieten!
Spar-Content ist ein weiteres Beispiel dafür, wie TikTok genutzt wird, um offen über ein stigmatisiertes Thema zu sprechen. Gleichzeitig zeigt die Popularität der Inhalte, dass junge Menschen nach Wegen suchen, ihr finanzielles Wohlbefinden zu verbessern. Um junge Menschen zu erreichen und ihr Vertrauen zu gewinnen, müssen Inhalte daher ihre Probleme ernst nehmen und sinnvolle Lösungen anbieten – in diesem Fall für den Umgang mit Geld und Konsum.
2— Erfolgfluencer: Flexen, Cosplay und Clickbait
246 Millionen Mal wurden mit #erfolg getaggte Inhalte in den letzten drei Monaten aufgerufen. Der Hashtag ist damit der zweitgrößte unseres Graphen, dicht gefolgt von #geldverdienen mit 188 Millionen Views. Neben Coaches, die unser #erfolgsmindset aufbauen, sehen wir in diesem Cluster Creator:innen, die in Podcast-Setups CEO-Dasein LARPen und uns erzählen, wie man mit Selbstdisziplin alles erreichen kann. Die Bildwelten? Sportwagen, Männer und Raubtiere sind überall.
Wie andere Social-Media-Plattformen wird auch TikTok mit Inhalten von selbsternannten Erfolgfluencern überschwemmt. Auf den zweiten Blick wird deutlich: Dieses Cluster gleicht einer Clickbait-Fabrik. Viele Videos sind letztlich Promo für Programme, Workshops und Beratungsdienstleistungen.
Bigger picture: Wo Geld ist, da ist auch Täuschung
Es wird allerdings kritisch, wenn die Grenzen zwischen Hack und Täuschung verwischen. Dass auch fragwürdige Inhalte unter #finanziellefreiheit wie z.B. Promo für Network Marketing oder illegale Schneballsysteme zu finden sind, überrascht erstmal nicht. Aber die Ballung ist doch beeindruckend. Das ist insofern besonders schwierig, als diese Inhalte hauptsächlich junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren erreichen.
Und was heißt das jetzt? Durch realistische Inhalte motivieren!
Fakt ist, dass diese Art von Business-Content eine Audience findet. Nutzer:innen auf TikTok suchen nach Wegen, unabhängig von klassischer Lohnarbeit ihre finanzielle Situation zu verbessern. Das bedeutet umgekehrt, dass auf der Plattform ein motiviertes und lernbereites Publikum mit unternehmerischem Ehrgeiz erreicht werden kann. Zwischen der Fülle an trügerischen How-To-Videos und immergleichem Get-rich-Motivationscontent ist daher Platz für fundierte und vor allem authentische Inhalte, die mehr und vor allem unterschiedliche Möglichkeiten aufzeigen, Businesses zu starten, sich beruflich weiterzuentwickeln und, ja, Geld zu verdienen.
3— Der Traum vom ganz schnellen Geld: Zocken an den Märkten
Von Devisen über Crypto bis zu Aktien: TikTok ist voller Videos, in denen der Traum vom schnellen Geld durch aktives Handeln an den Märkten verkauft wird. Man sieht junge Männer in schwach beleuchteten Räumen bunte Graphen auf Bildschirmen analysieren. Die Ästhetik ihrer Videos erinnert an Gaming-Content. Und sie vermitteln uns auch den Eindruck, dass Trading so einfach sei wie zocken, wenn man nur ihren Discord-Channels beitritt und ihre Strategien kopiert. Dieser didaktische Aspekt zieht auf TikTok. Die Hashtags #trading und #crypto liegen beide bei über 100 Mio. Aufrufen in den letzten drei Monaten.
Tradern zuzuschauen, mag unterhaltsamer sein, als mehr über klassischen Anlageprodukten wie Tagesgeldkonten oder ETFs zu erfahren. Zum Vergleich: Der Hashtag #etf wurde 30 Mio. mal abgerufen, #bitcoin hat fast viermal so viele Views. Doch auf Kursschwankungen von Aktien, Devisen oder Kryptowährungen zu spekulieren ist letztlich nichts anderes als Glücksspiel. Das Risiko wird von den Creator:innen dabei selten transparent gemacht.
Bigger Picture: Neue Formen des Glückspiels
Phänomene wie der GameStop Short Squeeze und der Dogecoin-Hype zeigen, dass sich nicht nur auf Reddit, sondern auch auf TikTok Communities rund um das Zocken an den Märkten bilden, mit eigener Lingo und angetrieben von einem gewissen Nihilismus. Gleichzeitig ist durch Trading-Apps und Neo-Broker die technologische Barriere, finanzielle Risiken einzugehen, nie so niedrig gewesen wie heute.
Und was heißt das jetzt? Kein Grund für FOMO
Es ist ein Dilemma: Der Erfolg von TikToks über Kyptowährungen, NFT-Handel, Penny-Auktionen und Co. basiert auf dem Traum vom schnellen, einfachen Geld – und lässt daher wenig Platz für Aufklärung oder sicherere Anlagestrategien. Content ist vereinfacht gesprochen, entweder unseriös oder nicht erfolgreich. Für Marken sehen wir daher wenig Raum, in dieser Bubble auf nachhaltige Weise stattzufinden.
4— Für die Zukunft vorsorgen oder einfach drauf scheißen?
Unter den Hashtags #investieren (94 Mio. Aufrufe) und #aktien (79 Mio. Aufrufe) dominiert Content von den auf TikTok erfolgreichsten Finfluencer:innen, meist vom Typ Finanz-Educator. Neben allgemeiner Finanzbildung geben sie Anlagetipps, legen bestimmte Finanzprodukte nahe und empfehlen Strategien zum Vermögensaufbau.
Bigger Picture: Generationengefühle zwischen Optimismus und Eskapismus
Für eine weit entfernte Zukunft vorzusorgen, ist nicht das angesagteste Thema auf TikTok. Dennoch tauchen #vorsorge und #etf in der Liste der Trending Hashtags auf. Sie sind also relevant für Gen Z. Multi-Krisen, Inflation und steigende Mieten platzieren das Thema aber vermutlich eher aus einer Notwendigkeit heraus in den Köpfen. Umgekehrt stellt sich natürlich auch die Sinnfrage: Wofür investieren, wenn es sich am Ende nicht auszahlen wird?
Und was heißt das jetzt? Tiefer gehen und Sorgen ernst nehmen!
Die Gen Z sucht auf TikTok gezielt nach Informationen. Deshalb sehen wir Potenzial bei Inhalten, die über finanzielle Erstaufklärung hinausgehen und sich an eine informiertere Zielgruppe richten. Marken können sich hier als vertrauenswürdige Stimme einbringen und Nutzer:innen empowern, selbst informierte finanzielle Entscheidungen zu treffen. Zudem böte sich Finanzdienstleistenden die Chance, die Desillusion einer Generation ernst zu nehmen und sie in ihrer Kommunikation aufzugreifen.
Decoding TikTok: Von breiten Themen zu relevanten Nischen und plattformspezifischen Trends
Über Geld wird auf TikTok – wie über so viele Themen – offen und ungefiltert gesprochen. Die Inhalte sind divers, die Perspektiven je nach Nische unterschiedlich. Klar ist aber: Cash Stuffing, Finanzbildung durch TikToker, Erfolgfluencing oder Girl Math sind nicht einfach nur Noise. Sie sind vielmehr indikativ dafür, was Gen Z im Zusammenhang mit Finanzen beschäftigt.
Das heißt nicht, dass Marken notwendigerweise in eine dieser Bubbles stechen müssen. Wir nutzen diese datengetriebene Perspektive vielmehr, um zu verstehen, was die Menschen beschäftigt, die wir erreichen wollen. So können wir Potentiale für Marken erkennen und sie dabei unterstützen, ihre Audience nachhaltig und vor allem unabhängig von Trends zu erreichen.
Denn Marken sind auf TikTok dann organisch erfolgreich, wenn sie ihre Zielgruppe informieren, inspirieren und unterhalten, wenn sie mit ihr auf Augenhöhe kommunizieren, Brand Guidelines in der Schublade lassen und vor allem eines tun: ihrer Community zuhören.
Ihr wollt Mehrwert für eure Audience schaffen? Dann meldet euch gern bei uns.
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